Verhaltensstörung, Trauma, Gewalt

In der Jugendhilfe haben Sozialarbeiter*innen ziemlich häufig mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die sich nicht an Regeln halten. Sie sind aggressiv und laut. Sie haben Probleme in der Schule, sie machen Probleme in der Wohngruppe und sie haben Probleme mit der Polizei. Viele von ihnen sind traumatisiert. Diese Veranstaltung stellt die einschlägigen Störungsbilder vor und erläutert die wichtigsten theoretischen Konzepte. Sie erklärt, wie man in der diagnostischen Arbeit vorgeht. Und sie erklärt, was in der Psychotherapie für diese Kinder und Jugendlichen angeboten wird und welche Schlussfolgerungen hieraus für die pädagogische Praxis zu ziehen sind. 

Diese Veranstaltung richtet sich an Studierende der Sozialen Arbeit im Modul 4.1

Erste Sitzung

In der ersten Sitzung informiere ich über den Aufbau des Seminars. Ich erkläre, welche Erwartungen ich habe, wenn Sie das Portfolio bei mir machen wollen. Und wir starten mit einem kleinen Planspiel: Die Teilnehmer*innen werden gebeten sich vorzustellen, die Bundesinnenministerin hätte das Seminar darum gebeten, Maßnahmen zu entwickeln, die dafür sorgen, dass sich die Sylvester-Krawalle nicht wiederholen bzw. die die gestiegenen Zahlen in Sachen Jugendgewalt reduzieren helfen.

Zweite Sitzung

Die zweite Sitzung konfrontiert die Vorschläge des Seminars mit einer Analyse von Johannes Mand. Der Vortrag stellt fest, dass die wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen zu Problemen in den Familien insbesondere in sozialen Brennpunkten führt. Der Verlust von Heimat, das Verschwinden von Jobs für gering qualifizierte Menschen, die schädlichen Auswirkungen exzessiver Nutzung von digitalen Medien und die abnehmende Bedeutungen Kirchen führen zu Sinnstiftungsproblemen, die kaum mehr aufgefangen werden können.

Hier ein passender Podcast, in dem ich erkläre, welche gesellschaftlichen Veränderungen zu den Problemen führen:


Tab 1: Auswirkungen gesellschaftlichen Wandels auf Jugendliche in sozialen Brennpunkten 
Krieg und Vertreibung

Globalisierung

Digitalisierung / Robotisierung

Abnehmende Bedeutung von Religion

Folge: Familien sind in Schwierigkeiten
Familien von Geflüchteten unter Anpassungsdruck.
Erwerbsarbeit wird für große Teile der Bevölkerung weninger wichtig.
Sinnstifter verschwinden.
Einsamkeit, Isolation und psychische Erkrankungen nehmen zu.
Kinder sind durch Zugänglichkeit von Pornographie und Gewaltdarstellungen in Gefahr, Beziehungen werden durch leichte Zugänglichkeit von Tinder & co destabilisiert.

Das Seminar hat hierzu folgende Vorschläge entwickelt:

Dritte Sitzung (8.5.): Verhaltensstörungen

In der dritten Sitzung geht es um Verhaltensstörungen. Die Sitzung beginnt mit einer Übung. Ich stelle Ihnen diagnostische Informationen zu einigen Kindern zur Verfügung. Sie überlegen, welches dieser Kinder als verhaltensgestört einzustufen ist.

Es gibt einige Zeitgenossen, die den Begriff „verhaltensgestört“ so verwenden, als handele es sich um ein festes Persönlichkeitsmerkmal, für dessen Entstehung normalerweise die Eltern verantwortlich sind. Aber in der Frage, wer verhaltensgestört ist und wer nicht, gibt es unterschiedliche Meinungen. Verhalten, das 1990 als Merkmal auffälligen Verhaltens gegolten hat, kann heute normal sein. Verhaltensweisen die in Düsseldorf als Ausdruck schwerer Verhaltensstörungen gewertet werden, können in Gelsenkirchen mit Gleichmut hingenommen werden. Und natürlich gibt es auch unter Pädagog*innen unterschiedliche Auffassungen darüber, wer nun als verhaltensgestört eingestuft werden sollte, und wer eher nicht.

Zu Beginn der Sitzung hat das Seminar einen Fragebogenauszug aus der Child Behaviour Checklist so ausgefüllt, wie ihr Klassenlehrer sie als 11jährige sehen würde (Fragen zu externalisierenden Störungen). Das Ergebnis: 50% der Teilnehmer*innen erreicht Werte zumindest im Grenzbereich der Auffälligkeit. Das ist deutlich mehr, als zu erwarten ist. Man kann also vermuten, dass ein Studium der sozialen Arbeit und der Besuch einer Veranstaltung mit diesem besonderen Schwerpunkt eine besondere Klientel von Studierenden anzieht.

Schlecht ist das sicher nicht. Denn, wer nicht allzu anpassungsbereit als Schüler*in gewesen ist, der kann vielleicht gut nachvollziehen, wie sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene fühlen, die heute als „verhaltensgestört“ eingestuft werden.


Tab 6
: Begriff Verhaltensstörungen: AO-SF § 5 (3)
Erziehungsschwierigkeit liegt vor, wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler der Erziehung so nachhaltig verschließt oder widersetzt, dass sie oder er im Unterricht nicht oder nicht hinreichend gefördert werden kann, und die eigene Entwicklung oder die der Mitschülerinnen und Mitschüler erheblich gestört oder gefährdet ist.
Tab 7 Relativität von Verhaltensstörungen
Verhaltensstörungen und ihre Synonymbegriffe sind relativ (Bach 1989).
Sie sind eher das Ergebnis eines vergleichsweise komplexen Prozesses mit vielen Beteiligten als eine feste Eigenschaft (Mand 2003).
Dies hat Auswirkungen auf die Zahlen und die Diagnose.
Tab 8: Auswirkungen von Beobachtervariablen auf die Wahrnehmung auffälligen Verhaltens
GeschlechtHoughton u.a. (1988), Kearny & Plax (1986), Kearny & Plax (1987), Mittelmark & Pirie (1988), Borg & Falzon (1989), vgl. Bach u.a. (1984), Mc Intyre (1988), Mand (2002 b), Baumgardt/Mand/Ostermann (2008)
Alter, Berufserfahrung, Berufszufriedenheit des LehrersTornow (1978), Bach (1987), Kearny & Plax (1986), Kearny u.a. (1987), Camp (1987), Mand (1995), Mand (2002 a)
Pädagogische ArbeitWetzel (1978), Vaughn & Lancelotta (1986), Lochman u.a. (1987), Trovato u.a. (1992), Harris u.a. (1992), Fuchs u.a. (1989), Mand (1995)
Tab 49: Lernbehinderungen, Verhaltensstörungen und einige ihrer Synonymbegriffe nach Mand 2003
Verhaltensstörungen, Auffälliges Verhalten, Sopäd Förderbedarf im Bereich Em SozLernbehinderung, Lernprobleme, Lernstörungen, Sopäd. Förderbedarf im Bereich Lernen
Kernsymptome: Probleme in den Beziehungen zu Mitschüler/innen und Lehrer/innen
Probleme im Arbeitsverhalten
Probleme im Bewegungsverhalten
Probleme in Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
Probleme im Umgang mit Gefühlen

begleitende Symptome
Probleme im Schriftspracherwerb
Probleme in der Entwicklung mathematischen Denkens
Kernsymptome:
Probleme im Schriftspracherwerb
Probleme in der Entwicklung mathematischen Denkens






begleitende Symptome
Probleme in den Beziehungen zu Mitschüler/innen und Lehrer/innen
Probleme im Arbeitsverhalten
Probleme im Bewegungsverhalten
Probleme in Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
Probleme im Umgang mit Gefühlen
Tab 4: Konzepte der Erziehungshilfe 
These: Weil die Klientel der Erziehungshilfe sich zu großen Anteilen aus benachteiligten Kindern und Jugendlichen rekrutiert & diese Klientel zu erheblichen Anteilen Lern- und Verhaltensprobleme zeigt, haben Konzepte der Erziehungshilfe sehr viel mit Konzepten der Verhaltensgestörtenpädagogik zu tun 
Arbeitsfelder der ErziehungshilfeTheorien der Verhaltensgestörtenpädagogik nach Benkmann 1989
Beratung von Eltern mit ADS-Kindern / hochbegabten Kindernbiophysische Ansätze
Beratungsarbeit, Konzeptausrichtung von Heimen & Tagesgruppen, Interventionsstrategien in Einrichtungen der Erziehungshilfepsychodynamische Ansätze
Interventionsstrategien in Einrichtungen der Erziehungshilfe verhaltenstheoretische Ansätze
Konzepte der Randgruppenarbeit (z. B. Lebensweltorientierung)soziologische Ansätze
Ideologischer Hintergrund für Mitarbeiter in Einrichtungen der Erziehungshilfepolitökonomische Ansätze
Bezugstheorien & Konzepte von Einrichtungen ökologische Ansätze
nicht von Benkmann erfasst , aber bedeutsam in Einrichtungen, die mit auffälligen Kindern & Jugendlichen arbeiten
Konzeptausrichtung & Methodischer Hintergrund in Einrichtungen der E-HilfeErlebnispädagogik

Verhaltensstörungen

Vierte Sitzung: Verhaltensstörungen Teil 2

Die fünfte Sitzung greift das Thema Verhaltensstörungen noch einmal auf. Das Seminar beginnt mit einer theoretischen Einordnung. Es folgt eine erste Fallbeschreibung, zu denen die Studierenden Fördervorschläge entwickeln sollen. Abschließend versuche ich die Lösungsvorschläge therapeutischen Schulen zuzuordnen.

Die Fallbeschreibung kann ich aus datenschutzrechtlichen Gründen leider nicht online stellen.

Das Seminar hat einige Interventionsvorschläge zum Fall Fischmaul zusammengetragen, die am Ende der Sitzung Theorieschulen zugeordnet werden. Große Zufriedenheit macht sich aber nicht breit.

Fünfte Sitzung (Online-Sitzung 22.5.)

Die fünfte Sitzung findet – wie vielfach angekündigt – ausschließlich als Online-Sitzung statt. Die Sitzung verläuft auf studentischen Wunsch asynchron. D.h.: Sie können selbst entscheiden, wann Sie sich die Podcasts anhören und wann Sie die Aufgaben bearbeiten (bis Freitag, 24.00 Uhr). Während der eigentlichen Seminarzeit (also von 8.30-10 Uhr) bin ich online und kann – je nach Andrang – rasch reagieren. Außerhalb der Seminarzeiten kann das vielleicht einige Stunden dauern.

Wenn Sie möchten, können Sie Ihre Bearbeitung der Aufgabe mir per Mail zukommen lassen. Nennen Sie mir einen Nickname, lade ich Ihre Antwort hoch. Alternativ können Sie auch die Kommentarfunktion meiner Homepage nutzen. Ich schalte dann Ihre Kommentare frei, wenn ich sehe, dass sie von Studierenden meiner Veranstaltung kommen. Bitte beachten Sie, dass ich Ihre Beiträge nur dann hochladen kann, wenn Sie mich bis Freitag 24 Uhr erreichen. Ich lade die dann, spät eingegangenen Beiträge voraussichtlich am Samstagmorgen hoch.

Die 5. Sitzung greift den Fall „Fischmaul“ noch einmal auf. Denn Fischmaul hat vor allem ein entwicklungspsychologisches Problem. Und das kann man gut angehen, auch dann, wenn von den Eltern keine Unterstützung kommt.

Den Fall Fischmaul habe ich ausgewählt, weil er auf ein ziemlich verbreitetes Problem von Menschen mit Verhaltensstörungen verweist: Menschen mit Verhaltensstörungen haben häufig ein Problem damit, die Intentionen von anderen zu verstehen bzw. sich in andere hineinzuversetzen. Der Fachbegriff für diese sozialkognitive Kompetenz lautet Perspektivenübernahme (bei Piaget und seinen Nachfolgern), Role taking (in Orientierung an Mead) oder Theory of Mind.

Egozentrismus, Perspektivenübernahme, Role Taking


Entwicklung der Perspektivenübernahme (aus Selman 1982, 240 f) Selman, R.: Sozial-kognitives Verständnis – Ein Weg zu pädagogischer und klinischer Praxis. In: Geulen, D. (Hrsg.): 1982, Perspektivenübernahme und soziales Handeln, Frankfurt a. M. 223-256
Stufe 0: Egozentrische Perspektive (Alter 3-6 Jahre)Das Kind nimmt zwar den Unterschied zwischen sich und anderen wahr, unterscheidet aber noch nicht zwischen seiner sozialen Perspektive (Gedanken und Gefühle) und der der anderen. Es kann von anderen offen gezeigte Gefühle benennen, aber sieht noch nicht den kausalen Zusammenhang zwischen Handlungsgründen und Handlungen.

Stufe 1: Sozial-informationsbezogene Perspektivenübernahme (6-8 Jahre)
Das Kind nimmt wahr, dass der andere eine eigene, in seinem Denken begründete Perspektive hat und dass diese seiner eigenen Perspektive ähnlich oder auch nicht ähnlich sein kann. Jedoch kann sich das Kind nur auf jeweils eine Perspektive konzentrieren und nicht verschiedene Gesichtspunkte koordinieren. 

Stufe 2: Selbstreflexive Perspektivenübernahme (8-10 Jahre)
Dem Kind ist bewusst, dass jedes Individuum der Perspektive des anderen gegenwärtig ist und dass dies jeweils die Sicht seiner selbst wie die vom anderen beeinflusst. Eine Möglichkeit, die Intentionen, Absichten und Handlungen eines anderen zu beurteilen, besteht darin, sich an seine Stelle zu versetzen. Das Kind kann eine koordinierte Kette von Perspektiven bilden, aber noch nicht von diesem Prozess auf die Ebene simultaner Gegenseitigkeit abstrahieren.

Stufe 3: Wechselseitige Perspektivenübernahme (10-12 Jahre)
Das Kind nimmt wahr, dass sowohl es selbst wie auch der andere den jeweils anderen Teil wechselseitig und gleichzeitig als Subjekt sehen kann. Es kann aus der Zwei-Personen-Interaktion heraustreten und diese aus der Perspektive einer dritten Person betrachten.

Stufe 4: Perspektivenübernahme mit dem sozialen und konventionellen System (12-15 Jahre und älter)
Die Person sieht, daß wechselseitige Perspektivenübernahme nicht immer zum völligen Verstehen führt. Soziale Konventionen werden als notwendig angesehen, weil sie von allen Mitgliedern der Gruppe (dem generalisierten Anderen) unabhängig von ihrer Position, Rolle oder Erfahrung verstanden werden.


Tab 52
 Stufen des moralischen Urteils Kohlberg, L.: Stufe und Sequenz: Sozialisation unter dem Aspekt der Kognitiven Entwicklung. In: Kohlberg, L.: Zur kognitiven Entwicklung des Kinders. Frankfurt a. M. 1974, 60 f

Stufe 1: Orientierung an Bestrafung und Gehorsam.
Egozentrischer Respekt vor überlegener Macht oder Prestigestellung bzw. Vermeidung von Schwierigkeiten. Objektive Verantwortlichkeit.
Stufe 2: Naiv egoistische Orientierung.
Richtiges Handeln ist nur jenes, das die Bedürfnisse des Ich und gelegentlich die der anderen instrumentell befriedigt. Bewusstsein für die Relativität des Wertes der Bedürfnisse und der Perspektive aller Beteiligten. Naiver Egalitarismus und Orientierung an Austausch und Reziprozität. 
Stufe 3: Orientierung am Ideal des ´guten Jungen´ .
Bemüht, Beifall zu erhalten und anderen zu gefallen und ihnen zu helfen. Konformität mit stereotypischen Vorstellungen von natürlichem oder Mehrheitsverhalten, Beurteilung aufgrund von Intentionen.
Stufe 4: Orientierung an Aufrechterhaltung von Autorität und sozialer Ordnung.
Bestrebt, >seine Pflicht zu tun< , Respekt vor der Autorität zu zeigen und die soziale Ordnung um ihrer selbst willen einzuhalten. Rücksicht auf die Erwartungen anderer.
Stufe 5: Legalistische Vertrags-Orientierung.
Anerkennung einer willkürlichen Komponente oder Basis von Regeln und Erwartungen als Ausgangspunkt der Übereinstimmung. Pflicht definiert als Vertrag, allgemein Vermeidung der Verletzung von Absichten oder Rechten anderer sowie Wille und Wohl der Mehrheit. 
Stufe 6: Orientierung an Gewissen oder Prinzipien.
Orientierung nicht nur an zugewiesenen Rollen, sondern auch an Prinzipien der Entscheidung, die an logische Universalien und Konsistenz appellieren. Orientierung am Gewissen als leitendes Agens und an gegenseitigem Respekt und Vertrauen. 

Tisa3556 schreibt: Auf welcher Perspektivenübernahme ist Fischmaul und welche Möglichkeiten gibt es ihn dort zu fördern ?

Fall Fischmaul (10 Jahre ) : 

Aufgabe 1) 

Meiner Meinung nach befindet sich Fischmaul auf der Stufe 1. 

Die Stufe 1 besagt , dass .. 

Stufe 1: Sozial-informationsbezogene Perspektivenübernahme (6-8 Jahre)Das Kind nimmt wahr, dass der andere eine eigene, in seinem Denken begründete Perspektive hat und dass diese seiner eigenen Perspektive ähnlich oder auch nicht ähnlich sein kann. Jedoch kann sich das Kind nur auf jeweils eine Perspektive konzentrieren und nicht verschiedene Gesichtspunkte koordinieren.

( nach Entwicklung der Perspektivenübernahme aus Selman 1982, 240 f ) 

Hier zeigt sich , dass die eigene Perspektive im Denken ähnlich oder gleich sein kann wie das seiner sozialen Integrationspartnern. Ein Beispiel hierfür ist, dass er die gleichen Rechte für alle einfordert und auffälliges Verhalten zeigt wenn jemand den Regeln ( Perspektive des Denken und Handelns ) widerspricht. Jedoch kann er sich nur auf eine Perspektive konzentrieren, was sich dadurch zeigt dass er in diesen Situation selber regelwidrig zeigt.  Zudem zeigt sich dies auch, dass er sich körperlich aggressiv gegenüber kleineren zeigt und hierbei auch regelwidrig ist jedoch kann er sich nach Stufe 1 nur in eine ( hier seine eigene Perspektive ) hineinversetzen kann und nur nach der Sicht seine Handlungsgründe gerechtfertigt sind. 

Aufgabe 2) 

Welche Möglichkeiten gibt es ihn in seiner Entwicklung der Perspektivübernahme zu fördern ? 

Da nach Selman die nächste Stufe der Perspektivenübernahme sich mit der wechselseitigen Perspektivenübernahme beschäftigt sollte der Fokus darauf liegen : 

  • Plus 1 Strategie  ( Zone der nächsten Entwicklung ) – hierbei kann man Fischmaul die Perspektive der anderen Person klar machen durch ein Gespräch mit ihm nach einem möglichen Konflikt ( Gesprächstherapie) ; wie würde er handeln wenn er in der Position stehen würde. Zudem kann man mit ihm herausarbeiten wie die andere Person handeln würde wenn man auf bestimmtes Handeln trifft ( freundlich ; gewaltätig ; anfeindend ; etc.) 
  • Zudem darf man ihn nicht überfordern und ihn nur mit einem intrinsischen Interesse seiner Seits weiter fördern 
  • Konfliktpersonen ansprechen ; Wie haben sich die anderen Personen welche mit Fischmaul im Konflikt waren verhalten und was haben sie für eine Perspketive gehabt und gefühlt . Folge : Was hätte er (Fischmaul) in der Situation getan und würde dieses Handeln seiner Perspektive entsprechen ? 

Sechste und siebte Sitzung

In diesen Sitzungen geht es in einem ersten Schritt noch einmal um die Bedeutung der sozialkognitiven Entwicklungsmodelle für die Arbeit mit auffälligen Kindern und Jugendlichen.

In einem zweiten Teil geht es um Armutsmodelle. Der Zusammenhang von Armut zum thematischen Schwerpunkt dieses Seminars erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Aber die Teilnehmerinnen, die in Wohngruppen arbeiten, wissen aus Erfahrung, dass Kinder und Jugendliche, die in Wohngruppen leben, nur selten aus Mittelschichtsverhältnissen stammen. Heime sind weniger eine Einrichtung für Waisenkinder als vielmehr eine Einrichtung für Kinder aus von Armut betroffenen Familien, die es einfach nicht schaffen, ihren Kindern die Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen.

Es macht also Sinn, sich die Frage zu stellen, was Armut ist bzw., ob Armut etwas mit Verhaltensstörungen zu tun hat.

Armutsmodelle

Tab 30: Modell der schichtenspezifischen Sozialisation nach Geulen (1991)
Das Modell der schichtenspezifischen Sozialisation geht davon aus, dass „ aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen der Väter am Arbeitsplatz, die familiale Sozialisation in der sozialen Unterschicht in mehrfacher Hinsicht (…) anders verlaufe und zu anderen Ergebnissen führe als in der Mittelschicht, daß daher die Kinder aus der Unterschicht in dem durch Mittelschichtskultur dominierten Schul- und Bildungssystem auf größere Schwierigkeiten stoßen und stärker ausselegiert würden, daß sie später wieder nur in der Unterschicht zugänglichen Berufspositionen einrücken könnten .“ 
Tab 31: Lernbehinderung als soziokulturelle Benachteiligung (Begemann 1970)
zumindest partielle Gleichsetzung von Lernbehinderung und Schichtzugehörigkeit bei Begemann als These, daß Hilfsschüler bis auf eine Minderheit der armen, proletarischen, sozial rückständigen Unterschicht entstammen Schulversagen als Versagen an Mittelschichtsstandards: Hilfsschüler sind unterdurchschnittlich gemessen an den Normen der Mittelschicht. Sie sind soziokulturell benachteiligt Mittelschichtslastigkeit von IntelligenztestverfahrenResümee: Hilfsschulbedürftigkeit kann nicht mit psychologischen, soziologischen oder medizinischen Kategorien beschrieben werden, sondern nur als pädagogische Aufgabe Die Sozialisationsbedingungen von Hilfsschülern: Gefühle der Unterlegenheit, Ausgeliefertheit, Benachteiligung, geringe Bildungsmotivation, Unterschichtsmatriarchat, Familismus (Verkehrskreis beschränkt auf Verwandte und Nachbarn), niedriger Wohnkomfort in unzureichenden Wohnungen, viele Kinder, autoritärer Erziehungsstil, wenig Gelegenheiten zum produktiven Tun, Schülercliquen, die die Schichtgrenzen kaum überschreiten Sprachliche Benachteiligung (in Anlehnung an Bernstein) 
Tab 32: Theorie des sozialen und kulturellen Kapitals (Bourdieu 1979)
Klassen werden weder über ein Merkmal oder die Summe von Merkmalen definiert (Alter, Geschlecht, soziale Herkunft, Einkommen, Ausbildungsniveau) noch durch eine Kette von Merkmalen, die von einem Hauptmerkmal (z. B. von der Stellung im Produktionsprozess) abgeleitet sind Definition sozialer Klassen als Struktur der Beziehungen zwischen allen relevanten Merkmalen, die jeder derselben … verleiht Klassenzugehörigkeit ist mit einem Bündel ungefähr gleich wahrscheinlicher ungefähr gleichwertiger Lebensläufe verbunden.
Wichtig sind: ökonomisches Kapital (neben Durchschnittseinkommen auch Konsum-Indices wie Auto und Bootsbesitz oder Urlaub im Hotel),
kulturelles Kapital (mit Indikatoren wie: Häufigkeit der Lektüre nicht berufsbezogener Literatur, Häufigkeit von Theaterbesuch, Nicht-Besitz eines Fernsehers usw.)
und soziales Kapital. Der Konsum vor allem solcher Güter, die ein der bürgerliche Lebensart konformes Verhalten symbolisieren lässt, garantiert ein soziales Kapital, ein Kapital an ´mondänen Beziehungen´, die bei Bedarf einen nützlichen Rückhalt bieten, ein Kapital an Ehrbarkeit und Ansehen verleihen 

In der zweiten Sitzung über Armut geht es um die Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen sind, dass Sozialarbeiter*innen sehr häufig mit Klienten zu tun haben, die aus von Armut betroffenen Familien kommen. Eines ist dabei vergleichsweise sicher: Armut und Verhaltensstörungen stehen nicht in einer monokausalen Beziehung. Kinder und Jugendliche sind also nicht etwa deshalb verhaltensgestört, weil sie arm sind. Aber es ist schon etwas merkwürdig, dass Kinder aus der Mittelschicht nicht besonders häufig in Förderschulen geraten. Armut liefert also einen Beitrag zur Erklärung von Verhaltensstörungen und Gewalt.

In dieser Sitzung stelle ich auch einen angejahrten, exotischen Ansatz vor, der zumindest in sozialen Brennpunkten etwas Erklärungskraft bietet: den Deutungsmusteransatz.

Der Deutungsmusteransatz


Tab 33
: Deutungsmusteransatz (Eberwein & Mand 1992)
Brennpunkte als Subkultur mit eigenen Regeln, Situationsdefinitionen, Deutungsmustern) 
Schul- & Verhaltensprobleme von Kindern & Jugendlichen aus diesen Brennpunkten als Folge kultureller Missverständnisse 
pädagogische Aufgabe: nicht mehr Sozialisationsdefizite ausgleichen, sondern Brücke bauen von Subkultur zu Mehrheitskultur 

Achte Sitzung (12.6.; online-Sitzung)

Die achte Sitzung dieses Seminars findet noch einmal als Online-Sitzung statt. Dies bedeutet: Sie finden hier einen Podcast und Aufgaben. Ich bin während der eigentlich vorgesehenen Präsenzzeit (Mi 8.30-10.00) per Mail erreichbar und kann Ihre Fragen beantworten (per Mail, Telefon oder Zoom). Sie können aber selbst entscheiden, wann Sie Ihre Aufgaben bearbeiten (bis zum 14.6.). Die Ergebnisse Ihrer Arbeit können Sie mir per Mail zukommen lassen. Wenn Sie diese auf meiner Homepage veröffentlicht sehen wollen, nennen Sie mir bitte einen Nickname. Auch wenn Sie die Kommentarfunktion dieser Homepage verwenden wollen, ist ein Nickname eine gute Sache. Bitte beachten Sie: Ich schalte Ihre Kommentare nur dann frei, wenn Sie eine EvH E-Mail-Adresse angeben.

Mit der achten Sitzung des Seminars rücken die Methoden im Umgang mit schwierigen Menschen in den Vordergrund.

Die achte Sitzung hat zwei Teile. Im ersten Teil der Sitzung bestreiten zwei Referate von Studierenden des Master-Studiengangs Soziale Inklusion Gesundheit und Bildung, die inhaltlich gut in dieses Seminar passen. Das Seminar dieses Master-Studiengangs fand am Anfang des Semesters als Blockveranstaltung statt. Und weil es kaum möglich ist, parallel an einer Blockveranstaltung teilzunehmen und ein Referat vorzubereiten, bringe ich die Referate in anderen Lehrveranstaltungen unter. Und in diesem Fall ist das das Seminar „Verhaltensstörung, Trauma, Gewalt“.

Inhaltlich befasst sich das Seminar mit der Posttraumatischen Belastungsstörung. Genauer: Es geht um die Frage, in welcher Hinsicht Apps in der Behandlung von PTBS hilfreich sein können.

Apps in der Behandlung der Borderline Persönlichkeitsstörung

ADHS und Cannabis


Der zweite Teil der Sitzung befasst sich mit der Teilleistung Literaturrecherche in der modulabschließenden Prüfung des Moduls 4.1 . Wichtig ist hier zunächst, dass Sie lediglich eine Literaturliste erstellen sollen. Sie sollen also angeben, welche Literatur Sie verwenden würden, wenn Sie zu einem Thema des Moduls Ihrer Wahl eine Hausarbeit schreiben würden. Sie müssen die Literatur weder beschaffen noch lesen. Inhaltlich empfiehlt sich ein Bezug zum Lernziel Ihres Lernberichts. Vielleicht können Sie sogar einige Beiträge in den Lernbericht einbauen. Zwingend notwendig ist es aber nicht, dass Sie die Literaturrecherche auf das Lernziel beziehen.

Infos zur Teilleistung Literaturrecherche

Neunte Sitzung

In der neunten Sitzung stelle ich Ihnen eine Lerngruppe aus einer em/soz Förderschule vor. Nur vier Kinder, aber die haben es wirklich drauf. Und deshalb besteht die Klasse wirklich nur aus diesen Kindern. Leider sind die Informationen so vertraulich, dass ich Ihnen in diesen Sitzungen keinen Podcast zur Verfügung stellen kann.

In den Veranstaltungen geht es darum, herauszufinden, was diese Kinder brauchen – schulisch und therapeutisch.

Zehnte Sitzung

In der zehnten Sitzung geht es zunächst allgemein um Traumata und Traumafolgen.

Trauma und Traumafolgen

Einen guten (weil wenig von Pharmaindustrie beeinflussten) Überblick über den Stand der Forschung geben Cochrane Reviews (Pubmed.ncbi, 20240620, Suchbegriffe: PTSD und Cochrane).

Traumatypen (Rosner & Unterhitzenberger 2019)
Typ I Trauma: unvorhergesehen, einmalig
Typ II Trauma: wiederholte Ereignisse, die ggf. Vorhersehbar sind
Interpersonelle Traumata: von Menschen gemachtandere traumatische Ereignisse (z. B. Naturkatastrophen)

Mehrmalige, von Menschen gemachte Traumatisierungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit eine PTBS zu entwickeln.
PTSD nach DSM V (Williams et al 2022)
A: Exposed to a catastrophic event involving actual or threatened death or injury, or a threat to the physical integrity of him/herself or others 

B: Symtoms like panic, terror, dread (grauen), grief (Trauer), or despair manifest during the daytime as intrusive (aufdringliche) images, traumatic nightmares, and flashbacks 

C: Behavioural strategies used by people with PTSD to reduce trauma-related events 

D: Negative cognitions and moods that have developed after exposure to the traumatic event (i.e. blame, anger, guilt, or shame 

E: Alterationsin arousal (Veränderungen im Erregungsniveau) or reactivity (Reaktionsvermögen) such as hypervigilance or paranoia. 

F: Symptoms must persist for at least one month before PTSD may be diagnosed 

G: Survivor must experience significant social, occupational, or other distress as a result of these symptoms H: These symptoms cannot be due to medication use, substance use, or other illnesses National Comorbidity Survey Replication indicate lifetime PTSD prevalence rates of 3.6% and 9.7%, among men and women in the USA
Behandlung von Kinder und Erwachsenen, die einem Traum ausgesetzt waren (Gilles et al 2016)
CBT was found to be no more or less effective than EMDR Scores for PTSD symptoms were not significantly different when CBT was compared with EMDR 

We identified no trials that compared psychological therapies versus pharmacological therapies. 

CBT versus psychodynamic therapy The one study that compared CBT versus psychodynamic therapy reported only short-term outcomes. PTSD symptom scores were not significantly different between groups (SMD 0.21, 95% CI -0.56 to 0.98; 26 participants; pharmacological therapies : No trials that compared psychological therapies versus pharmacological therapies.

Der zweite Teil der Veranstaltung befasst sich noch einmal mit dem Fall Florian. Die Veranstaltung beginnt mit dem Befundbericht (zu brisant für die Online-Sitzung). Der Fall Florian eignet sich gut, um psychoanalytische Positionen zu erklären.

Psychoanalyse. Der Podcast erklärt zunächst die Instanzenlehre von Sigmund Freud und stellt dann ein neueres Konzept der psychoanalytischen Pädagogik vor.

Psychoanalytische Verfahren

Annahmen der klassischen Psychoanalyse / Freud (Vortrag Mand 20240626)

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist EzPsychanalyseAbb2freud-724x1024.jpg

(nach Heinemann 1993)

Elfte Sitzung

In der elften Sitzung geht es um das Portfolio und die Teilleistung Literaturrecherche.

Beim Portfolio empfehle ich zunächst mit dem Lernbericht zu beginnen. Sie sollen hier eine Art Erörterung darüber schreiben, mit welchen Lernzielen Sie sich für das Modul 4.1 entschieden haben und dann überlegen, ob Sie diese Lernziele auch erreicht haben. Im Lernbericht sollten Sie auch auf Fachliteratur eingehen.

Bitte fügen Sie Ihrem Lernbericht zwei Teilleistungen hinzu – mindestens eine aus einem anderen Seminar des Moduls. Eine Teilleistung kann auch die Literaturrecherche sein. Hierauf bereitet der zweite Teil des Seminars vor.

Bei der Teilleistung Literaturrecherche sind Sie gebeten, eine Literaturliste zusammenzustellen, die Sie beschaffen würden, wenn Sie im Modul 4.1 eine Hausarbeit schreiben würden. Sie müssen die Literatur aber weder beschaffen noch lesen.

Was ist wichtig? Bitte erstellen Sie Ihre Auswahl weder mit Google noch mit einem Katalog welcher Bibliothek auch immer. Sie sollen auch nicht das Online-Angebot von Verlagen oder Verlagsverbunden für die Zusammenstellung verwenden. Der Grund hierfür ist: Google informiert Sie höchst einseitig. Und der Bestand von einer Bibliothek oder von Verlagsprogrammen ist niemals vollständig. Ihre Aufgabe besteht aber genau darin, sich einen vollständigen Überblick über ein 4.1 Thema Ihrer Wahl zu verschaffen. Bitte nennen Sie neben der von Ihnen ausgewählten Literatur die verwendeten Datenbanken, das Suchdatum, die Suchbegriffe mit Trefferzahlen sowie Ihre Auswahlkriterien.

Die Auswahlkriterien sollten so formuliert sein, dass jede/r andere Suchende bei Anwendung Ihrer Kriterien zur gleichen Literaturliste gelangt wie Sie. Es reicht dabei nicht aus, zu sagen, man habe sich für den 5., 7. und …X. Treffer entschieden. Denn die Zahl und Reihenfolge der Treffer variiert ständig. Ein gutes Auswahlkriterium ist der Publikationszeitraum (alle Publikationen von… bis). Man kann sich auch auf besondere Merkmale beziehen (z. B.: Alle empirischen Untersuchungen mit einem Stichprobenumfang von mindestens N = 100 im Publikationszeitraum von … bis …).

Die elfte Sitzung macht darüber hinaus mit einem wichtigen Zitationsstandard bekannt. In der Sozialen Arbeit und in der Heilpädagogik ist vor allem das Verfahren der APA von Bedeutung.

Wichtig ist vor allem, dass sonnenklar wird, von wem welche Position stammt. Wer im Text auf Positionen anderer verweist, sollte auf die entsprechende Publikation verweisen – im Text in Klammern (Auto, Jahr) und im Literaturverzeichnis.

Die in der Beispieldatei genannten Satzvorgaben sind dagegen für schriftliche Hausarbeiten nicht wichtig.

Wenn Sie das wollen, können Sie auch den Zitationsstandard der EvH verwenden. Nach meiner Erfahrungen sind hier aber viele Dinge nicht verbindlich geregelt. Bei dem Zitationsstandard der APA ist das anders. So richtig verstehe ich deshalb nicht, dass in der EvH an einem eigenen Standard festgehalten wird. Bitte haben Sie deshalb Verständnis dafür, dass ich Fragen zum Zitationsstandard der Handreichungen zum wissenschaftlichen Arbeiten nicht beantworte.

In der letzten Sitzung dieses Seminars beantworte ich Fragen zu Ihren Modulabschließenden Prüfung.

Schreibe einen Kommentar