Tiergestützte Therapie: Heilserwartungen ohne wissenschaftliche Basis
Eine Hochschule irgendwo in Deutschland. Die Vorlesungszeit beginnt. In einigen Seminaren ist der Andrang riesig – in anderen eher nicht. Die Seminare in Sachen tiergestützter Pädagogik sind voll – viel zu voll. Wie man behinderte Menschen, am liebsten Kinder mit Behinderungen mit Tieren heilt, das interessiert Studentinnen brennend. Gleich nebenan ein fast leerer Raum. Hier kann man lernen, wie man wissenschaftliche Studien bewertet. Die studentische Nachfrage bleibt überschaubar. Und sogar in Seminaren, die so trockene Dinge wie Statistik behandeln, gibt es einschlägige Anfragen. Worauf man achten solle, wenn man vorhabe, die Effektivität von Hippotherapie zu beweisen. Es gebe da empörende Zweifel der Krankenkassen, die dazu führten, dass wunderbare Reiterhöfe in finanzielle Nöte geraten. Kein Zweifel, es gibt ein beachtliches Interesse an tiergestützter Pädagogik, an tiergestützter Therapie in der Behindertenarbeit. Was also ist dran an tiergestützten Methoden in Pädagogik und Therapie?
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Standards in der Methodenforschung
Die Erforschung der Wirksamkeit von Therapie- und Förder-Methoden ist einigermaßen komplex. Ziel der Untersuchungen ist es normalerweise, die Effekte von Methoden zu belegen. Dabei hat sich ein methodisches Vorgehen etabliert, das zumindest mit zwei Gruppen arbeitet (Versuchsgruppe bzw. Experimentalgruppe und Kontrollgruppe) und Veränderungen über einen längeren Zeitraum untersucht (zumindest zwei Erhebungen, besser sind drei: Pre-Test, Post-Test und Follow-up). Es gibt darüber hinaus ziemlich klare Bedingungen, die die Auswahl der teilnehmenden Personen betreffen.
Man kann in den meisten Disziplinen unterstellen, dass die genannten Regeln bekannt sind. Verstöße gegen diese Regeln entwerten die Studien. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie Umfang und Auswahl der Stichprobe (also der teilnehmenden Personen) betreffen.
Regeln in der Wirkungsforschung |
1. Seriöse Studien arbeiten zumindest mit zwei Untersuchungszeitpunkten: einmal vor der Therapie (Pre-Test) und einmal nach der Therapie (Post-Test).2. Um Veränderungen bewerten zu können, ist ein Vergleich notwendig. Klienten, die eine Theapie erhalten (Versuchs- oder Experimentalgruppe), sollten z. B. mit Menschen verglichen werden, die keine Therapie erhalten (Kontrollgruppe).3. Versuchs- und Kontrollgruppe müssen ausreichend groß sein. 4. Versuchsgruppe und Kontrollgruppe dürfen nicht vollkommen untypisch sein. Problematisch sind z. B. Studien, die ausschließlich oder in wesentlichen Teilen an Anhängern der untersuchten Methode durchgeführt werden. Ausgeschlossen werden derlei Probleme durch die Auswahl und Zuteilung der Teilnehmerinnen über Zufallszahlen (Randomisierung) oder durch andere Verfahren, die sicherstellen, dass Versuchsgruppe und Kontrollgruppe vergleichbar sind (z. B. Matching).5. Die durch die Therapie erzielten Erfolge sollten so häufig auftreten, dass sie nicht auch durch den Zufall erklärt werden können. Fünf Prozent Irrtumswahrscheinlichkeit gelten als gerade noch tolerierbar. Dass signifikante Unterschiede auftreten (also mehr als zufällige Unterschiede zwischen Versuchsgruppe und Kontrollgruppe), reicht für einen Effektivitätsnachweis nicht aus. Denn es ist auch möglich, dass winzige Unterschiede häufiger auftreten, als der Zufall erwarten lässt. 6. Die Effekte sollen so groß sein, dass spürbare Veränderungen sichtbar werden. Die Stärke der Veränderungen wird häufig über Cohens Effektstärke erhoben (weitere Infos auf der Forschungsmethodenunterseite dieser Homepage). |
Zur Datenbankrecherche:
Diesem Überblicksbeitrag liegt eine Recherchein den Datenbanken FIS-Bildung und Psyndex zugrunde. Dies ist ein in der evidenzbasierten Forschung gebräuchliches Vorgehen.
In diesen Fachdatenbanken sind nicht alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sondern nur die Beiträge enthalten, die von den Redaktionen der teilnehmenden Fachzeitschriften eingesandt werden oder z. B. von Mitarbeiter_innen der Fachdatenbanken aufgenommen werden. Einige Datenbanken enthalten auch nicht veröffentlichte Arbeiten. Anders als z. B. bei einer Google-Recherche erhalten alle Suchenden zum gleichen Zeitpunkt die gleichen Hinweise auf wissenschaftliche Veröffentlichungen.
Fachdatenbanken enthalten deshalb nicht alle Arbeiten. Aber sie erfassen die wichtigen (eben in bedeutsamen Fachzeitschriften veröffentlichten) Beiträge. Dem Autor sind selbstverständlich weitere, nicht in diesen Fachdatenbanken aufgeführte Studien bekannt. Im Grundsatz gilt aber auch für den Bereich der tiergestützten Therapie der in der Übersichtsarbeit ermittelte Befund: Nichts, was sich nicht über den Placebo-Effekt erklären ließe, viele Methodenfehler, Hinweise auf pseudowissenschaftliches Vorgehen.
Auswahl Fis: Keine BA/Dipl Abschlussarbeiten
Datenbank | Suchbegriff/Tier | Autor | Jahr | Quelle (ISBN/ISSN) | Randomi-sierung / Matching | Pre/Post | Auswirkungen auf |
Psyndex | Delfin | Stenczel, C. | 2013 | 978-3-95404-395-8 | Nein | 10 Erhebungs-zeitpunkte | Aufmerk-samkeit |
Psyndex 20151110 | Delfin | Breitenbach | 2004 | Geistige Behinderung0173-9573 | |||
Psyndex20151110 | Delfin | Breitenbach | 2006 | 978-3-934471-59-7 | Nein | Sozial- emotional &kommunika-tives VH laut Eltern & Therapeuten-urteil | |
Fis20151110 | Tiergestützte Therapie (Hunde) | Heyer Beetz | 2014 | 1869-4934 | Matching IQ,Alter Lesen (verzerrte Stichprobe) | 3 Erhebungs- zeitpunkte | Lesekompetenz |
FIS 20151011 | Tiergestützte Th. (Meers-chweinchen) | Julius u.a. | 2013 | 1869-4934 | Randomisiert | ja | Aggressives VH, Kortisol, Blickkontaktzu L |